Ein Tochterunternehmen eines Global Players im Automotive-Sektor deckt dessen Aktivitäten für Entwicklung, Produktion, Vertrieb und Service ab. Die an zahlreichen Produktions- und Servicestandorten sind mit massiven Änderungen konfrontiert: Die Änderungen betreffen die Branche selbst, u.a. durch den Einzug von alternativen Antriebstechniken und damit einhergehend neuen unternehmerischen Partnerschaften, sowie durch eine stark veränderte strategische Ausrichtung, und auch hinsichtlich veränderter regulativer Anforderungen. Hier spielt auch die VUCA Welt eine Rolle. Denn Volatilität, Unbeständigkeit, Unsicherheit, Komplexität und Mehrdeutigkeit bestimmen heute die Rahmenbedingungen der Unternehmensführung.
Um sich diesen Änderungen adäquat stellen zu können, soll der Produktentstehungsprozess (PEP) im Rahmen eines Business Process Re-Engineering komplett neugestaltet werden, um neue, flexiblere Methoden zu nutzen, die zu den heutigen und zukünftigen Marktanforderungen passen. Grenzen für die Neugestaltung sind nicht vorgegeben.
Anforderungen an den neuen PEP:
Perspektivenwechsel mit mehr Orientierung auf interne und externe Prozesskunden
Bedarfsgerechte Anpassungsmöglichkeit des PEP an den jeweiligen Projekttyp
Empowerment der Mitarbeiter: Übertragung von mehr Verantwortung ins Team
Nutzung von innovativen Methoden im PEP an sich, als auch Förderung von Innovation in den PEP geführten Entwicklungsprojekten
Agilität, Flexibilität und Schnelligkeit bei schnelländernden Anforderungen
Beibehalten der bestehenden Qualitätswerte
Aufbrechen der bestehenden funktionalen und lokalen Silos
Kontinuierliche Prozessverbesserung als integraler Bestandteil des PEP („Lernendes System“)
Schon aus diesen Anforderungen geht die Abkehr von tayloristischem Vorgehen hervor. Bemerkenswerterweise will das Unternehmen im hauseigenen PEP, dem eventuell wichtigsten Kernprozess, keine durchgehend standardisierte Vorgehensweise mehr vorgeben. Stattdessen soll er – ohne Kompromisse in der Qualität, Steuerungsfähigkeit oder Profitabilität – wesentlich flexibler, anpassungsfähiger und innovationsfördernder werden.
Als Ansätze für die Gestaltung des neuen PEP werden vor allem folgende Themenfelder identifiziert:
der Einsatz von adaptiven Projektmanagement-Modellen
die Einführung von Multiprojektmanagement und Projektportfoliomanagement
die Festlegung von Projekttypen und -kategorien für eine nachvollziehbare Anpassung des PEP an projektspezifische Anforderungen, und
der verbesserte Mitarbeitereinsatz nach Lean-Gesichtspunkten und mit modernen Organisationsmodellen.
Ein global gültiges Rahmenwerk für den Produktentstehungsprozess mit entsprechenden Governance-Strukturen soll entstehen, um modularer, flexibler und anpassungsfähiger zu werden.
Zunächst wird der bisherige PEP und sein Umfeld systemisch hinsichtlich der Strategievorgaben, der beteiligten Menschen, der Methoden und Prozesse, der eingesetzten Technologie, sowie der Organisation analysiert. Design Thinking Workshops kommen zum Einsatz, um iterativ Ideen für einen neuen, praxisgerechten PEP weiterzuentwickeln. Es wird auch in Betracht gezogen, die PEP-Neugestaltung im Rahmen einer selbstorganisierten Netzwerkorganisation durchzuführen, um einen breiten Erfahrungsschatz in die PEP-Gestaltung ressourcenschonend einbringen zu können.
Eine Sponsoren-Koalition im oberen Management wird aufgebaut. Sie formuliert Vision, Ziele und erwarteten Nutzen. Zudem wird sie als dauerhaft aktives Element in das Projekt eingebunden, um Teams und Mitarbeiter durch den Change zu führen. Auch im weiteren Verlauf des Projekts wird die Change Management-Methode Prosci
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stark genutzt, um den Erfolg und vor allem die nachhaltige Verankerung des neuen PEP sicherzustellen.
Mit Pilotprojekten wird ein radikaler, schneller Change in einem ausgewählten Geschäftsbereich angestrebt. Die kurzfristigen Erfolge fördern die notwendige, generelle Bereitschaft zur Änderung der Unternehmenskultur und des Mindset bei den Beteiligten durch positive Impulse, Empowerment und verbesserte Kommunikation. Damit bereitet man auch den Boden für organisationale Änderungen, die mit den Mitarbeitern gemeinsam erarbeitet werden.
Die Flexibilisierung des PEP wird vor allem durch sechs agile Elemente erreicht, die im neuen PEP integriert werden:
Kollaboration
Time Boxing
Selbstorganisation
Iterative Entwicklung
Wertorientierte Priorisierung und
Empirische Prozesssteuerung
Dies wird durch eine schrittweise Agilisierung nach Bedarf und Reifegrad ergänzt, durch Ausbau des agilen Mindset, Skillset, und Toolset. Die adaptive Nutzung von Projektmanagement-Methoden wie Design Thinking, Scrum, Kanban, Lean Development wird neben klassischen PM-Methoden im PEP erlaubt, und Empfehlungen für deren Anwendung bestimmt.
Alle Maßnahmen zur Flexibilisierung werden zudem durch einen parallelen Ausbau des Wissensmanagements und entsprechende Qualifizierungsmaßnahmen unternehmensweit unterstützt.