
Abb.1: Vier Quadranten (eigene Darstellung angelehnt an das integrale Modell von Ken Wilber)
Die Perspektiven unterscheiden sich in individuell und kollektiv, sowie innerlich („unsichtbar“) und äußerlich („sichtbar“). Daraus ergeben sich die folgenden vier Perspektiven:
Individuelles Mindset bzw. Bewusstsein
(innerlich)
Individuelles Verhalten bzw. Fähigkeiten
(äußerlich)
Kultur
(kollektiv, innerlich)
Struktur
(kollektiv, äußerlich).
Das Besondere an diesem Modell ist, dass nicht, wie klassisch oft üblich, nur die „sichtbaren“ Elemente einer Organisation (Verhalten und Struktur) betrachtet werden, sondern auch die „unsichtbaren“ Elemente, wie das Mindset oder die Kultur, berücksichtigt werden.
Mit Hilfe dieses Ansatzes lassen sich die Ursachen des eigenen Ausbremsens auf einmal verstehen. Denn durch die verschiedenen Perspektiven auf ein Thema und deren Dynamiken lassen sich Wechselwirkungen zwischen den „sichtbaren“ und den „unsichtbaren“ Aspekten erkennen: So kann die Ausbildung einer gewissen Kultur in einem Unternehmen mit der Existenz von bestimmten Strukturen in Zusammenhang gebracht werden. Gleichzeitig sind etablierte Strukturen ggf. auch Ausdruck eines bestimmten, eventuell inzwischen nicht mehr hilfreichen, Mindsets.
Anhand der folgenden Beispiele wird deutlich, an wie vielen Stellen in Unternehmen bestehende Strukturen - meist unbeabsichtigt - ein unerwünschtes Mindset fördern:
Beispiel 1
Für einen unserer Kunden war es immens wichtig, bestimmte Prozess-Standards einzuführen, um von seinen Kunden weitere Aufträge zu bekommen. Spezielle Rollen wurden definiert, Task-Forces eingerichtet, und dennoch läuft die Umsetzung bestenfalls schleppend. Ein Blick auf das interne Bonussystem gibt eine einfache Erklärung: Während das Erreichen gesetzter Projektziele eine hohe materielle Vergütung mit sich bringt, hat das Umsetzen der neuen Standards für viele Mitarbeitende keinerlei Auswirkung auf deren Einkommen, was zu innerer Zerrissenheit und einem vermeintlich fehlenden „agilen Mindset“ führt.
Beispiel 2
Im Rahmen großer Unternehmensveränderungen wollen oder müssen viele unserer Kundinnen und Kunden agiler werden. Dabei nutzen sie oft Scrum und führen u.a. die Rolle des Scrum Masters ein. Scrum Master haben explizit die Aufgabe, eine produktive Arbeitsweise zu ermöglichen und Teams vor zu vielen Störungen von außen zu schützen, damit diese ihren „Job“ machen und ihre Ziele in der vereinbarten Zeit erreichen können. Damit Scrum Master wirkungsvoll arbeiten können, brauchen sie ein hohes Maß an Autonomie und zugleich eine einflussreiche Stellung im Unternehmen. In der Praxis sind sie jedoch oft weiterhin unterhalb ihres Linienchefs/ihrer Linienchefin aufgehängt und haben nur sehr wenig abteilungsübergreifenden Einfluss. Dadurch können sie ihren Job kaum erfolgreich umsetzen, und die Teams haben nur wenig Chancen, eine wirklich andere Arbeitsweise zu entwickeln. Wenn die Transformation dann keine Früchte trägt, werden „Schuldige“ gesucht, die agile Vorgehensweise kritisiert oder dem Team und dem Scrum Master mangelndes Engagement vorgeworfen.
Beispiel 3
Ein alltäglicheres Beispiel ist der Meeting-Kontext. Wer ein Meeting einberuft, wünscht sich in der Regel, dass die Teilnehmenden voll präsent sind und sich aktiv einbringen. Zugleich wird das „Wozu“, der Sinn und Zweck des Treffens und welchen Beitrag die Teilnehmenden haben, in der Einladung gar nicht oder nicht klar genug kommuniziert. So nehmen Menschen an Meetings teil, ohne zu wissen, warum. Dies führt natürlicherweise zu geistiger Abwesenheit, offenen Laptops und parallelem Bearbeiten von E-Mails und damit zu wenig offenem Mindset.
Diese Beispiele könnten wir unendlich weiterführen. Wichtig ist dabei zuallererst, dass alle Beteiligten diese Diskrepanzen und die Wechselwirkungen von Struktur auf Kultur und Mindset in ihrem eigenen Umfeld erkennen und ein Problembewusstsein dafür aufbauen, um dann den nächsten Schritt anzugehen.