Kulturelle Spannungen zwischen „Linie“ und „Projekt“
Am Beispiel des Spannungsfeldes zwischen „Linie“ (den vom Projekt betroffenen Fachabteilungen) und „Projekt“ soll der Einfluss von Kultur verdeutlicht werden. Dieses Spannungsfeld prägt seit vielen Jahren die Diskussion in Unternehmen über „Fluch“ oder „Segen“ der Projektarbeit. Seit den Zeiten der Industriellen Revolution, und noch verstärkt durch den Taylorismus des frühen 20. Jahrhunderts, werden Unternehmen auf Effizienz getrimmt. Mit möglichst wenig Ressourcen soll maximaler Output erreicht werden. Alles hat sich diesem Paradigma von Effizienz unterzuordnen. Strategien, Strukturen, Prozesse, Methoden und auch die (Mit-)Arbeitenden werden auf dieses Paradigma ausgerichtet.
Projekte stören da eher. Sie sind dazu da, einmalige, unsichere und komplexe Aufgabenstellungen außerhalb der regulären Linienorganisation zu bearbeiten und das Projektergebnis dann am Ende wieder in die Routine des betrieblichen Alltags zu überführen. Allerdings sind Projekte in der Regel abhängig vom Know-how und den Spezialisten aus der Linie, sprich den Fachabteilungen, und hier beginnt nun die wechselseitige Einflussnahme.
Wie unterscheiden sich die Kulturen der „Linie“ und des „Projekts“? Die Linienorganisation stellt sich in den Dienst der Effizienz, optimiert ihre Prozesse, Ressourcen und Kompetenzen entsprechend und ist auf eine permanente Verbesserung der Wiederholtätigkeiten ausgelegt. Qualität und Zuverlässigkeit, Ein- und Unterordnung der Handelnden, permanente Kontrolle und Einflussnahme auf alle Abläufe durch das Management sind an der Tagesordnung und halten „die Maschine“ am Laufen. Störungen, Risiken und Unsicherheiten, Abweichungen wie auch das Einschlagen neuer Pfade sind eher verpönt.
Projekte dagegen sind auf die Erwartungen des „Kunden“ ausgerichtet, organisieren Zusammenarbeit aller Beteiligten im Rahmen der gesteckten Termin-, Budget- und Qualitätsziele, dabei ist Effektivität, also die Wirksamkeit der Zielerreichung wichtiger als Effizienz und „Perfektion“. Neue Pfade betreten, um ein neuartiges, innovatives Ergebnis zu erreichen, gehört heute zum Projektmanagement dazu, wie auch das Loslassen, Freiraum zu gewähren für die Motivation und Kompetenz aller Beteiligten.
In Projekten prallen häufig die Sichtweisen der Beteiligten aus unterschiedlichen Welten aufeinander. Mitarbeiter aus der effizienz-orientieren Linien-Welt sollen plötzlich neue Wege einschlagen, innovativ und kooperativ sein, Neuland betreten und selbstbestimmt handeln. Die Folgen sind dann häufig eine Verunsicherung der Mitarbeiter, (passiver) Widerstand und ein Zurückziehen auf die Linienarbeit. Die Projektmanager versuchen noch, das Team besser einzubinden, scheitern aber an den „unsichtbaren“ Barrieren der kulturellen Unterschiede.