
Abb. 2: Das ADKAR®-Modell als ein weltweit anerkanntes Change Management-Modell (eigene Darstellung nach prosci.com)
Die Einführung von Diversity Management sollte daher als
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ortlaufender und organisationsübergreifender Veränderungsprozess betrachtet werden – Als eine Querschnittsaufgabe, die das Management, das Personalwesen über den Vertrieb bis hin zum Marketing sowie alle Prozesse und Strukturen der Organisation betrifft. Wir empfehlen daher, die Einführung von Diversity Management unbedingt in einen organisationsübergreifenden und strategischen Change Prozess einzubetten. Warum dies so wichtig ist, lässt sich anhand des Prosci ADKAR®-Modells darstellen. Das weltweit anerkannte Change Management-Modell zeigt auf, welche psychologischen Prozesse hinter einer Veränderung stecken und welche Schritte ein Individuum durchlaufen muss, um eine Veränderung am Ende tatsächlich anzunehmen.
Im ersten Schritt geht es dabei zunächst darum, dass die Betroffenen ein Bewusstsein dafür entwickeln, warum die Veränderung notwendig ist. Bezogen auf Diversität bedeutet dies, dass das Top-Management kommunizieren muss, warum das Unternehmen nun eine Diversitäts-Strategie verfolgt, warum Diversität so wichtig ist und welche Risiken damit verbunden sind, wenn die Organisation keine Diversity Maßnahmen ergreift. Hier könnten Unternehmen insbesondere die im Beitrag oben angeführten Benefits kommunizieren.
Damit die Belegschaft sich aktiv an den Diversity Maßnahmen beteiligt, muss jede:r Einzelne auch den Wunsch haben, dies zu tun. Hierfür ist es wichtig, dass das Unternehmen, insbesondere die Führungskräfte, regelmäßig ausführen, welche Vorteile sich dabei für die Mitarbeitenden ergeben. Erst an diesem Punkt – wenn die Individuen das „Desire“ entwickelt haben, sich aktiv zu beteiligen – machen die vorab angekündigten Diversity Trainings Sinn. Denn nun geht es darum, die Mitarbeitenden zu befähigen, sich in einem diversen Umfeld zurechtzufinden. In Bezug auf Diversität können hier beispielsweise Reflexionskompetenzen aufgebaut oder auch Wissen zu Rassismus, Unconscious Bias, das oben bereits erwähnte Konfliktmanagement, u.v.m. vermittelt werden. Es geht also darum, den Mitarbeitenden konkrete Werkzeuge an die Hand zu geben und nachhaltig Diversity Kompetenzen aufzubauen.
Zu guter Letzt ist es unerlässlich, das veränderte Mindset/Verhalten zu verankern. An dieser Stelle empfehlen wir Maßnahmen, die das Verhalten positiv verstärken. Welche Maßnahmen das sein können, wird im übernächsten Abschnitt angesprochen. Davor scheint es jedoch wichtig, die besondere Rolle von Führungskräften im Prozess der Durchführung der Diversity Management Maßnahmen zu beschreiben.
Diversity Management ist Führungsaufgabe
Um in den Mitarbeitenden den Wunsch zu wecken, nachhaltig Diversity Kompetenzen aufzubauen, den kulturellen Wandel “bottom up” mitzutragen und sich aktiv an diesem zu beteiligen, spielen Führungskräfte eine entscheidende Rolle. Wie in allen Change Prozessen tragen sie einen wesentlichen Teil dazu bei, dass der Sinn - in diesem Fall von Diversität - verstanden wird. Sie agieren als Vorbild, fungieren als Multiplikator:innen und setzen in ihrem Team Maßstäbe für den Umgang mit Vielfalt. Ein höherer Grad an Diversität und ein Zuwachs an Perspektiven bringt zwar viele Vorteile, erhöht aber gleichzeitig wie bereits angesprochen das Konfliktpotential im Unternehmen. Besonders Führungskräfte müssen daher entsprechende Kompetenzen besitzen, um in diesen Situationen effektiv agieren zu können.
Dazu zählt unter anderem der Umgang mit unbewussten Denkmustern, sogenannten „Unconscious Bias“ (Leipold & Karrenberg, 2020). Wie der Name schon zeigt, laufen Kategorisierungen zunächst unbewusst ab – und das ist auch normal. Als Führungskraft ist es jedoch von außerordentlicher Bedeutung, Denkmuster zu identifizieren und Einstellungen zu hinterfragen. Dabei ist insbesondere Reflexionskompetenz gefragt: Warum bewerte ich diese Situation so? Welche Emotion löst die Situation in mir aus? Wie lese ich mein Gegenüber bzw. wie ordne ich mein Gegenüber ein?
Denn rein psychologisch betrachtet umgeben wir uns lieber mit Menschen, die uns ähnlich sind und unsere Werte, Normen und Verhaltensweisen bestätigen. Dieses sogenannte Similarity-Attraction-Paradigma geht davon aus, dass wahrgenommene Ähnlichkeit zu Sympathie führt und diese, übertragen auf den beruflichen Kontext, zur Folge hat, dass wir eben lieber mit Menschen zusammenarbeiten oder Personen einstellen, die uns ähneln (Dietz & Prott, 2019). Dies hat oft zur Folge, dass sich In- & Outgroup-Dynamiken bilden und sich die in sich homogene Gruppe von anderen Gruppen abgrenzt. Vor diesem Hintergrund muss auch eine Führungskraft sich kontinuierlich selbst und die eigenen Entscheidungen infrage stellen – warum (be)fördere ich genau diese Person? Warum mag ich die eine und meide die andere?
Die Fähigkeit, sich selbst in dieser Form infrage zu stellen, kommt nicht von allein. Der Umgang mit Vielfalt muss erlernt sein. Spezielle Trainings oder Coachings können dabei helfen, andere Verhaltensweisen zu akzeptieren und wertzuschätzen.
Das sollten Sie als Führungskraft tun:
Schaffen Sie Vertrauen durch Transparenz, Ehrlichkeit, Respekt, Wertschätzung und echtes Interesse. Geben Sie Ihren Mitarbeiter:innen ausreichend Raum, Ängste und Sorgen anzusprechen – und begegnen Sie ihnen mit Offenheit.
Achten Sie in Meetings darauf, dass alle gleichermaßen zu Wort kommen.
Reflektieren Sie Ihre eigene Rolle als Führungskraft und werden Sie sich unbewusster Machtstrukturen bewusst.
Betrachten Sie kulturelle Unterschiede als Wissensressource und setzen Sie die sich gegenseitig ergänzenden Stärken ihrer Mitarbeitenden gezielt ein.
Versuchen Sie unbewusste Denkmuster aufzudecken: Wenn Sie merken, dass eine Situation Sie emotional besonders herausfordert, versuchen Sie sich und Ihr Gegenüber aus der Metaperspektive zu betrachten und stellen Sie sich folgende Fragen: Wie komme ich zu meiner Meinung? Warum reagiere ich so? Welche kulturellen Werte und Normen sind mit meiner Interpretation und Bewertung verbunden? Hier eignet sich insbesondere ein kontinuierliches Führungskräfte-Coaching
In Konfliktsituationen: Sprechen Sie Ihre Gefühle offen an (Ich-Botschaften) und versuchen Sie, Gemeinsamkeiten zu finden.
Betrachten Sie Meinungsverschiedenheiten als gewinnbringend und nicht als störend.
Welche Maßnahmen im Rahmen von Diversity Management hilfreich sind
Damit Diversity erfolgreich gemanagt wird, reicht es, wie bereits angesprochen, nicht, sich einzelne Maßnahmen herauszupicken. Es gibt sicherlich einen unendlich langen Maßnahmenkatalog, der im Rahmen eines Diversity Managements angegangen werden kann. Nur im Rahmen einer von der Geschäftsführung und den Führungskräften kommunizierten Diversitäts-Strategie kann jedoch ein genau auf die Organisation zugeschnittenes Maßnahmenpaket geschnürt werden. Es kann helfen, sich einmal die Frage zu stellen, mit welchen Maßnahmen im eigenen Unternehmen eine Umgebung geschaffen werden könnte, in der sich Menschen in ihrer Verschiedenartigkeit wertgeschätzt und gefördert fühlen und in welchem sie ihr Potential vollständig entfalten könnten.
Es kann auch hilfreich sein, bedarfsgerecht die Priorität zunächst auf einzelne Diversitätsdimensionen zu legen, um geeignete Maßnahmen zu identifizieren. Würde die Einführung von Teilzeit, flexiblen Arbeitszeiten, Job Sharing, Homeoffice-Regelungen, Altersteilzeit oder betrieblichen Kindergärten die Mitarbeitenden unterstützen und Bewerberspektrum sogar erweitern? Mentoringprogramme, Netzwerke und damit zusammenhängende Community Events, Impulsvorträge zu relevanten Themen wie Barrierefreiheit oder Schulungen zum Umgang mit gendergerechter Sprache könnten in einer Organisation ein Bewusstsein für die Notwendigkeit von Diversity - “Awareness” - schaffen oder den Wunsch - “Desire” - wecken, sich aktiv an der Weiterführung bestimmter Maßnahmenbereiche zu beteiligen oder ein Thema weiter voranzutreiben.
Während diese Maßnahmen bspw. auch im Rahmen des Change Managements im Bereich Awareness oder Desire Sinn machen, gibt es auch Aspekte, die im Rahmen von Diversity ggf. erst betrachtet werden sollten, nachdem der Wandel innerhalb der Organisation akzeptiert ist, wie z. B. das Recruiting internationaler Mitarbeitender, die Zusammenstellung multikultureller Teams oder die Einführung einer Frauenquote.